Einige Dinge kann man nicht planen – Confessions of a “Planungsfreak”
Kennst du das Gefühl, wenn du kurz vor einer Deadline stehst? Du musst eine wichtige Hausarbeit abgeben, oder ein Projekt beenden und hast nur bis zum Tag X Zeit?
Mein ganzes Leben lang, habe ich versucht alle Tätigkeiten, alle Aufgaben, alle Ereignisse in Listen und Kalender zu verpacken. Ich habe mir vor bestimmten Terminen ausgerechnet, wie viele Stunden ich noch Zeit habe, habe To-Do-Listen angelegt und versucht jede Aufgabe darauf mit einer Dauer zu kennzeichnen. Ein dauerhaftes Wettrennen gegen die Zeit. Das Gefühl gleicht einem ständigen Dead-Line-Stress und nimmt dir die entspannte Seite des Lebens.
Jeder Moment, bestand daraus, zu berechnen was ich tun werde, wann ich es tun werde und wie. So etwas fängt bei harmlosen Dingen wie Stunden- und Klausurenplänen an, genau genommen, habe ich am Anfang meines Studiums einfach einmal einen kompletten Zeitplan für mein gesamtes Studium gemacht – 5 Jahre im Voraus wohlgemerkt. Weiter ging es dann bei einfachen Verabredungen – „Schatz um wie viel Uhr sollen wir beim Spieleabend sein?“, dabei war der Spieleabend erst in 2 Wochen. Aber ich muss ja alles auf die Minute genau wissen. Keine Ahnung wieso eine Stunde mehr oder weniger so wahnsinnig relevant war.
So richtig skurril wird es aber erst dann, wenn man schon morgens wissen will, wo man abends essen geht. Das alles nur, um die Speisekarte genau zu studieren und sich schon darauf einzustellen was man dann essen wird. Klingt verrückt? Ist es auch.
Wieso das Ganze?
Lange Zeit dachte ich es wäre normal so zu denken, denn je mehr man plant, desto weniger kann schief gehen. Jeder der immer einen strengen Plan befolgt, der kommt dann auch problemlos zum Ziel. Versteh mich nicht falsch, für viele Dinge werde ich auch weiterhin planen um nicht vom Weg abzukommen. Ich habe für mich eine Richtung definiert, in die ich beruflich gehen möchte und wohin ich mich persönlich entwickeln will. Das ist auch vollkommen in Ordnung, da man an solchen Dingen arbeiten kann und sich step-by-step verbessern kann. Sich dafür einen festen zeitlichen Rahmen zu setzen, sehe ich mittlerweile allerdings etwas problematisch.
Dinge die man nicht planen kann
Oder vielleicht auch eher Dinge, die ich selbst nicht mehr planen werde. 😉
Liebe
Stell dir vor, du gehst morgen aus dem Haus und triffst die Liebe deines Lebens. Dein Lebensplan sagt aber „Ne sorry, Liebe ist aktuell nicht drin. Warte einfach noch 2 Jahre und such die Person dann nochmal.“ Bescheuert oder? Noch besser ist es jetzt aber auch anders herum, und zwar wenn du versuchst etwas in deinem Lebensplan zu erzwingen. Du bist plötzlich 30 und hast niemanden an deiner Seite, laut Plan hättest du aber schon seit 3 Jahren verheiratet sein müssen.
Liebe kann und sollte man nicht planen, je entspannter man das Ganze auf sich zukommen lässt, desto besser tut es dir und deinen Beziehungen.
Familie
Anknüpfend an die Liebe, kann man auch die Familiengründung nicht in einem solchen Rahmen planen. Es passieren so viele unvorhersehbare Dinge, und manchmal spielt schlicht und ergreifend auch einfach die Biologie nicht so mit wie man es gerne hätte. Was wenn du statt einem Kind ausversehen Zwillinge bekommst? Katastrophe? Nö.
Wohnsituation
Seit ich nach Kassel gezogen bin, war ich mir sicher, dass ich hier nie und nimmer bleiben werde. Ich habe Wohnungen nie mit besonders viel Herzblut eingerichtet, weil ich mir immer dachte, “ach in 2 Jahren wohnst du eh nicht mehr hier, das lohnt sich nicht”. In meinem Kopf waren 2-3 feste Orte eingeplant und über diese habe ich nie hinausgedacht. Jetzt nach fast 5 Jahren in dieser Stadt, habe ich ein Stück weit mein Herz hier verloren und auch die schönen Ecken kennengelernt. Hier zu bleiben, ist plötzlich nicht mehr abwegig. Aber auch jede andere Stadt lehne ich nicht ab und egal wie lange ich wo bleibe, ich werde mit Sicherheit tolle Eindrücke mitnehmen können.
Alltägliche Lebenssituationen
Wie anfangs erwähnt, habe ich nun aufgehört zu planen wie ein Abend verlaufen muss, wenn ich zum Beispiel ausgehe. Der Druck alles perfekt zu machen, zu wissen wann man wo auftaucht, mit wem man unterwegs ist und was man isst, trinkt und anzieht, darf ab jetzt auch spontan entschieden werden. Der Druck schon um 23 Uhr schlafen zu müssen, weil man morgen früh raus muss, führt ohnehin dazu, dass man erst Recht nicht einschlafen kann. Stattdessen genieße ich nun am Abend kurz den Moment, egal wie ungeplant er auch kommen mag, um dann mit ruhigen Gedanken, entspannt einzuschlafen.
Selbsthilfe für andere Planungsfreaks
Ich weiß von anderen Blogs und auch von meinen DMs bei Instagram, dass ich definitiv nicht die Einzige bin, die ständig versucht alles um sich herum unter Kontrolle zu bringen. Der Weg aus dieser Sucht, und das Planen ist definitiv eine (hätte ich mal früher darüber nachgedacht, hätte sie einen Ehrenplatz in meiner Süchte-im-Alltag-Liste bekommen), ist für Betroffene gar nicht so einfach. Es ist, als würde man jemandem das fleißig gebaute Fundament unter den Füßen wegreißen und sie ins kalte spontane Wasser, oder in diesem Fall Leben, stoßen. Man muss sich step-by-step aus dieser Komfortzone raustrauen und sich einfach mal nichts vornehmen. Zwangsstörungen wie diese, besiegt man nur mit viel Zeit, Kraft und Verständnis von seinen Mitmenschen.
Wichtig ist immer, dass die Bereitschaft dein Verhalten zu ändern, von dir selbst kommt. Dies wird erst der Fall sein, wenn du dir selbst eingestanden hast, dass die Überplanung einen negativen Einfluss auf dich und deine Psyche hat. Spätestens wenn es Probleme in Freundschaften oder der Beziehung gibt, sollte man sich Gedanken machen und das Leben wieder lockerer nehmen.
Versuche jetzt bitte nicht zu planen wie du aufhörst zu planen. Lass einfach alles auf dich zukommen und nimmt das Leben wieder bewusster war. Genieße einzelne Momente und Situationen und freue dich auch mal über Überraschungen.
Hast du ähnliche Erfahrungen zu diesem Thema gemacht? Erzähl mir davon!
xo,
Kristina